Ich glaube also nicht mehr so an Gottes
Allmacht, wie ich – und vermutlich auch ihr – sie vermittelt
bekommen habe – und möchte euch gern kurz erklären, warum.
Immer wieder treibt uns die Menschen
die Frage um: Warum lässt Gott so viel Leid zu? Dazu möchte ich
wärmstens folgendes Büchlein empfehlen:
Harold Kushner: Wenn guten Menschen
Böses widerfährt
In dem Buch thematisiert der Autor
u.a. die Geschichte von Hiob, dem, obwohl er ein gottesfürchtiger,
guter Mann war, großes Leid zustieß. Kushner stellt folgende Thesen
auf:
„A: Gott ist allmächtig und bewirkt
alles, was auf dieser Welt geschieht. Nichts kann ohne seinen Willen
geschehen.
B: Gott ist gerecht und gütig und
teilt den Menschen das zu, was sie verdienen, so dass es guten
Menschen wohlergeht und Gottlose bestraft werden.
C: Hiob ist ein guter Mensch.“
(S.46)
- Die biblische Geschichte sagt
deutlich, dass Hiob ein guter Mensch war. - C muss also stimmen.
- zu B: Einige Bibelstellen lassen
anklingen, dass es oft erst so aussieht, als würde es Gottlosen
sogar besser gehen. Die These, dass es guten Menschen immer gut geht,
kann man also schon mal hinterfragen - aber nicht, dass Gott gütig
und gerecht ist und es gut mit uns meint. Das ist eine christliche
Grundannahme.
Doch wie passt diese Güte zu all dem
Leid, wenn Gott es mit einem Fingerschnipsen beenden könnte?
Bleibt also noch These A ….
Das Hebräische kennt keinen Begriff
für „Allmacht“ nur für „große Macht“. Das griechische
Wort, das im Deutschen mit Allmächtiger übersetzt wird, heißt
eigentlich „Allherrscher“ - ein Ehrentitel für Gott. Das passt
zu dem, was die Bibel sagt: Gott hat alles geschaffen und ist König,
Herrscher über alles. Doch auch der Herrscher eines Königreiches
kann nicht per se alles tun, auch seine Macht ist begrenzt, wenn zum
Beispiel Bewohner des Königreiches sich gegen ihn auflehnen.
„Allherrscher“ heißt also nicht unbedingt „Allmächtiger“.
In der biblischen Schöpfungsgeschichte
sagt Gott dem Menschen, er soll über die Tiere und Natur herrschen –
Kushner zieht daraus folgende Schlussfolgerung: Gott hat einen Teil
seiner Macht an den Menschen abgegeben, um ihm Freiheit und
Eigenverantwortung zu ermöglichen.
Um Leid zu verhindern, müsste er
Handlungen von Menschen verhindern und damit ihre Freiheit begrenzen.
Das hängt eng zusammen mit der These vom „Freien Willen“, die
auch oft zur rage nach dem Leid herangezogen wird.
Die Offenbarung prophezeit, dass Gott
eines Tages alles unterwerfen und das Böse besiegen wird:
Allherrscher könnte vor diesem Hintergrund eine Art
Verheißungsbegriff für die Zukunft sein - das, was Gott sein
wird, wenn sein Reich endgültig gekommen ist.
In der Offenbarung wird eine Schlacht
zwischen Gut und Böse, Gott und dunklen Mächten beschrieben.Warum
sollte so etwas nötig sein, wenn Gott schon jetzt alles bestimmen,
jedes Problem lösen und alles Böse aufhalten könnte? Am Ende wird
Gott das Böse besiegen – d.h., noch ist es nicht besiegt und noch
wird es manchmal Oberhand bekommen. Das erklärt, warum das Leid in
dieser Welt noch nicht verhindert werden kann. Und macht gleichzeitig
Hoffnung, dass alle Tränen eines Tages getrocknet sein werden.
Kushner fragt am Ende seines
Buches:„Bist du bereit, Gott zu vergeben und ihn zu lieben, auch
wenn du erfahren hast, dass er nicht vollkommen ist [..] trotz der
Grenzen, die auch ihm gesetzt sind, so wie auch Hiob ihm verzieh, und
so wie du einst lerntest, deinen Eltern zu verzeihen, auch wenn sie
nicht so weise, stark oder so vollkommen waren, wie du es gern gehabt
hättest?
Und wenn du dies alles kannst – wirst
du dann auch fähig sein, zu erkennen, dass Verzeihung und Liebe die
Waffen sind ,die Gott uns gegeben hat, um ein erfülltes, tapferes
und sinnvolles Leben in dieser unvollkommenen Welt zu leben zu
können?“ (S. 139 f.)
Wie schon oben angedeutet: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Keine Ahnung, ob Kushners und meine Gedanken letztlich dem entsprechen, was Gott wirklich ist. Aber ich finde diese Überlegungen hilfreich, weil sie eine logische Erklärung dafür bieten, wie man das Bild eines starken, liebenden Gottes mit all dem Dreck, der auf dieser Welt geschieht, vereinbaren kann.
Abschließend noch ein Auszug von
Jürgen Kuhlmanns wertvollen Gedanken zu dem Thema:
Allerdings ist dies eine Zuversicht des Glaubens. Zu wissen gibt es hier nichts. Wie damals im KZ, wie vor bald zweitausend Jahren auf Golgotha, spricht auch heute vielerorts der Anschein gegen das Gute. Und doch! Und doch bäumt die Hoffnung mit Recht sich auf. Jesu Todesstunden am Kreuz haben bei seinem Osterdurchbruch einen Raum eröffnet, wo auch die Millionen Auschwitzstunden und alles Gräßliche überhaupt Platz finden. Kein Seinskorn geht der Allmacht verloren, nicht für immer verwirft Gott die Seinen.
"Allmächtig" heißt also nicht, daß Gott alle Macht hätte und wir gar keine, sondern es bedeutet, daß alle irdische Macht sich - in Jubel oder Schande - der göttlichen Güte zuletzt beugen wird. Beten wir darum den Beginn des Credo mit christlichem Freimut. Nicht vor einem Allmächtigen uns ducken sollen wir, sondern eben weil zuletzt die Liebe herrscht, brauchen wir uns vor keinem zu ducken.
Das nimmt den ersten Satz der Bibel auf: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Statt schuf könnte es auch schafft heißen; unsere Alltagssprache kennt keine Zeitform, die jene Gegenwart der Vergangenheit ausdrückt, die der biblische Erzähler meint. Besonders klar wird die Schwäche unserer Sprache bei Gottes abschließender Bewertung seines Werkes. Schon das Baby vernimmt ein gutes Zeichen im Kuß und Trostwort der Mutter. Wenn es nachts aufwacht und vor Schreck losweint, dann kommt die Mutter, nimmt es auf den Arm und tröstet: Nicht weinen, ist schon Alles gut. Das ist die Urform des Evangeliums. Stimmt dieser Satz? Ist wirklich alles gut? Oberflächlich gesehen: nein. Weiß die Mutter nicht, daß nebenan im Krankenhaus Menschen wimmern? Daß ein paar hundert Kilometer weiter der Bürgerkrieg eben jetzt ein Glück nach dem andern zerstört? Doch, sie weiß es und sagt trotzdem zu ihrem Kind: Ist schon Alles gut. Und hat recht, denn sie teilt die Einschätzung des Schöpfers: "Gott sah alles an, was Er gemacht hatte: Es war sehr gut" (Gen 1,31).
Dieser Satz enthält ein wunderbares Geheimnis. Im hebräischen Urtext bleibt nämlich offen, ob es um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft geht. Das Sätzlein kann also auch heißen: Gott sieht alles an, was Er gemacht hat, es ist sehr gut. Oder: Gott wird alles ansehen, was Er gemacht haben wird, es wird sehr gut sein. Der Übersetzer steht vor einer im Grunde unlösbaren Aufgabe. Die übliche Fassung ist nicht falsch, denn es wird vom Ur-Anfang erzählt. Wahr ist aber auch: die Schöpfung ist noch nicht fertig, jeden Tag neu soll aus Chaos Sinn, aus tierischen Vorstufen reife Menschlichkeit werden. Und Gottes Ruhe nach der Schöpfung endlich, der siebte Tag ist noch gar nicht angebrochen. "Der siebte Tag werden wir selbst sein," sagt der hl.Augustinus [von Ernst Bloch zitiert]: Wenn der Schöpfer sein vollendetes Werk anblicken wird, dann sieht Er auch aus unseren Augen unsere erlöste Welt. Und das wird unser Ewiges Leben sein.“
http://www.stereo-denken.de/vater.htm
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