Samstag, 10. September 2016

Der alltägliche Skandal in der Geburtshilfe

Nur noch 8% der Geburten verlaufen ohne äußere Eingriffe
Dass die Kaiserschnittrate mit etwa 30% erschreckend hoch ist, ist inzwischen relativ bekannt. Doch wusstet ihr, dass nur noch 8% Geburten der ohne medizinische Interventionen wie PDA, Wehentropf, Dammschnitt usw. verlaufen (http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4095.php)?
Für ihr Buch „Gewalt unter der Geburt“ hat die Soziologin Christina Mundlos mit Eltern, Hebammen und Hebammenschülerinnen gesprochen. Der Titel klingt zunächst irritierend – man denkt womöglich an schreckliche Einzelfälle wie Vergewaltigung o.ä. Doch die Autorin legt eine weitere Definition, nämlich die des anerkannten Friedensforschers Galtung, zugrunde.
Unter „Gewalt“ wird dabei u.a. verstanden:
  • nicht ernst nehmen, auslachen, beleidigen,
  • unter Druck setzen,
  • ignorieren, allein lassen
  • Missachten der Rechte der Gebärenden
  • verweigerte Schmerzmittel
  • nicht genehmigtes Verabreichen von Medikamenten,
  • unnötig viele und brutale vaginalen Untersuchungen,, unnötige und nicht genehmigte Damm- und Kaiserschnitte

    (http://www.netzwerk-frauengesundheit.com/gewalt-in-der-geburtshilfe-das-alltaegliche-verbrechen/)
Etwa 50% der Gebärenden in Deutschland erleben, so Mundlos, eine oder mehrere dieser Gewaltformen. Ihre Fragen werden ignoriert oder nicht ernst genommen, sie bekommen Mittel, ohne darüber aufgeklärt worden zu sein oder sie werden gedrängt, Eingriffen zuzustimmen, nur, damit die Geburt schneller verläuft. Dammschnitte werden noch immer viel zu oft (und nicht selten ohne Einwilligung der Frau) durchgeführt, obwohl inzwischen bekannt ist, dass natürliche Dammrisse in der Regel deutlich besser heilen. Und viel zu oft werden Babys sehr bald nach der Geburt unnötig lange für Untersuchungen von der Mutter getrennt.
Auch Hebammen und Hebammenschülerinnen berichten in dem Buch davon, wie sehr sie selbst unter dem Umgang mit Gebärenden leiden, der in Kliniken Routine ist.
Aufgrund von Zeitdruck und Personalmangel in Kliniken werden immer mehr Geburten eingeleitet, obwohl keine tatsächliche Notwendigkeit besteht. Viele Frauen empfinden eingeleitete Wehen als besonders schmerzhaft, was zu einer verstärkten Verabreichung von Schmerzmitteln führt. Das erhöht das Risiko für Nebenwirkungen und dafür, dass die Frau bei der Geburt schlechter pressen kann – weshalb häufiger Saugglocke, Zange der Kaiserschnitt nötig sind. Die Erfahrung zeigt: Eingriffe in den Geburtsvorgang erhöhen drastisch die Gefahr für weitere Eingriffe und verhindern in vielen Fällen eine sanfte, natürliche Geburt.
Eine Geburt ist eine Grenzerfahrung, während der Frauen besonders verletzlich und schutzbedürftig sind. Viele Frauen erkranken nach einem solch belastenden Geburtserlebnis an einer postnatalen Depression, welche sie und die gesamte Familie in eine schwere Krise stürzt. Beim Neugeborenen zeigt sich die Belastung oft in Unruhe, Schlafstörungen oder exzessivem Schreien.
Wichtig ist, dass Frauen sich bei Anzeichen einer postnatalen Depression therapeutische Hilfe suchen. Wenn euer Baby sehr unruhig ist, schaut doch mal in meine Tipps und auf Hilfen auf www.schreibabys.net
Neben Erlebnisberichten von Betroffenen und Fachleuten beinhaltet das Buch  Überlegungen zu gesellschaftlichen Veränderungen, die nötig sind, um die Situation zu verbessern. Außerdem erhalten werdende Eltern Tipps, wie sie gut informiert in die Geburt gehen können, um sich vor Gewalteinwirkung und Fremdbestimmung zu schützen. So müssen ÄrztInnen und Hebammen für Untersuchungen, Eingriffe und die Vergabe von Medikamenten die Einwilligung der Eltern einholen und dürfen nicht einfach über deren Kopf entscheiden.
Wenn ihr entsprechende Rechtsverletzungen während der Entbindung oder danach erlebt habt, dann wehrt euch dagegen und warnt andere! Fragt nach, ob es in der Klinik eine Patientenvertretung gibt oder wendet auch mit eurer Beschwerde an die Schlichtungsstelle der zuständigen Landesärztekammer. Wenn ihr dort nicht weiterkommt, können auch die Krankenkassen helfen.
Vielleicht habt ihr eine Rechtsversicherung, über die ihre euch über eure Möglichkeiten beraten lassen könnt oder ihr schaut mal auf den Internetauftritt des Medizinrechts-Beratungsnetzes (http://www.medizinrechts-beratungsnetz.de/).
Wichtig ist, dass Eltern, die selbst negative Geburtslerlebnisse hatten, ihr Schweigen brechen. Auf www.klinikbewertungen.de können Frauen und ihrer Partner, auch anonym, ihre Berichte veröffentlichen. So können sie andere werdende Eltern vor Kliniken, die das Wohl von Mutter und Kind nicht ernst nehmen, warnen und Druck auf diese Einrichtungen ausüben, die Situation zu verbessern.
Und holt euch selbst Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten! Habt keinen falschen Stolz vor einer Traumatherapie – die Verarbeitung einer schweren Geburt ist wichtig für euch und euer Kind! Ihr könnt Psychotherapeuten, die das anbieten, über das Internet suchen und müsst nicht einmal erst zum Hausarzt gehen. Viele Städte bieten auch Beratungsstellen mit Traumaberatung. Gute erste Hilfe bietet das Buch "Es ist vorbei - ich weiß es nur noch nicht" von Tanja Sahib.
Inzwischen schließen sich zunehmend Eltern zusammen, um sich gegen die Bedingungen in der Geburtshilfe zu wehren – z.B. in dem Verein „Mother-Hood“ (www.mother-hood.de).




Videoreihe über Schrei- und Schlafprobleme bei Säuglingen

Zum Thema "Schreibabys/Schlafprobleme von Babys" findet ihr viele hilfreiche Infos in meiner neuen Video-Reihe bei youtube: https://www.youtube.com/watch?v=NDSPgNgyIww